TIERische Profite

Siehe auch Abstimmung rechts!

Seit ein paar Jahren macht ein neue Kostenstruktur bei medizinischen Zeitschriften die Runde. Die bisherige Zweiteilung private Abonnements – kleiner Preis, institutionelle Abos – hoher Preis wurde um weitere Untergliederungen ergänzt, um nicht zu sagen „bereichert“ (ach, wie schön ist die deutsche Sprache!). Um alle Feinheiten des Kundenkreises abdecken zu können, werden institutionelle Subskribenten nun – meist nach Größe – untergliedert. Und hier kommt das ominöse „Tier“ zum Einsatz, es bezeichnet laut dem Online Webster’s Dictionary one of two or more rows, levels, or ranks arranged one above another, (und der gedruckte Webster’s ergänzt) as of seats in an amphi-theater, boxes in a theater, guns in a man-of-war. Guns in a man-of-war? Wir kommen der Sache anscheinend schon näher. Für alle Nicht-Lateiner: A „man-of-war“ ist ein Kriegsschiff. Und mit „guns“ sind dann wohl keine kleinen Damenhandtaschenpistölchen gemeint, sondern die Kanonen, mit denen einige der Kriegsschiffs-Verleger auf (feindliche) Bibliotheksschiffe feuern.

Einige feuern mit 10%, einige mit 16%, ein paar versuchen auch 80% oder noch mehr herauszuschlagen.

Genes & Development hat z.B. dieses Jahr durch die Einführung der Tier-Struktur seine Preise für Universitäten (Tier 3) um 16% erhöht.

Pediatrics versuchte 2003 ebenfalls über die Tier-Schiene, seine Preise zu erhöhen – der Onlinezugang sollte bis zum Achtfachen des Print-Preises kosten – $ 2.400 vs. $ 300. Doch der Boykott der Abonnenten belehrte die AAP eines Besseren, nun sind die Preise wieder angemessener.

Der nächste, der so dreist versuchte, das letzte Quentchen Geld aus Bibliotheken herauszupressen (und hoffentlich ebenso schnell scheitern wird), war die Nature Publishing Group (gebloggt am 22.10.). Auch hier soll das institutionelle Abo das 6-8-fache des Print-Abos kosten.

Die Liste liesse sich endlos fortsetzen – NEJM mit seinen wahnsinnigen $ 12.000 für Nationalbibliotheken, etc. pp. – Bibliothekare kennen das und schweigen stille. (BTW: Was gibt es eigentlich für Argumente für Tiers? Die Mehrfachabos können abbestellt werden. Ok, das mag für US-Unis gelten, aber welche deutsche Uni hat mehrere Abos von Pediatrics oder Genes & Development? Preise nach Größe zu berechnen sei gerechter – wer mehr benutzt soll auch mehr zahlen. Ok, so handhabt das ja sogar das (bibliothekarische) FAK-Konsortium, um Paket-Abos auch für kleine Bibliotheken bezahlbar zu machen. Aber früher hat sich keiner dafür interessiert, wie oft das gedruckte Heft in die Hand genommen wurde. Sollen Vielleser bestraft werden? Ist der wissenschaftliche Artikel ein Gut, dessen Preis mit der Nachfrage steigt – wie die Schwarzmarktpreise für Eintrittskarten des Spiels „BVB-Bayern“? Wird hier eine Ware künstlich verknappt, um den höchstmöglichen Preis zu erzielen? Statt Preis könnt man auch Stärke der Verlagsposition bei Verhandlungen sagen. Oder ist der einzige Grund die Auseinanderdividierung der Käufer und die Profitmaximierung? Bitte um Diskussion!)

Eins ist aber klar: Wer nach der Einführung der e-Journals geglaubt hatte, dass nun die Preise halbwegs stabil bleiben würden, muss sich nun eines Besseren belehren lassen: Der Einfaltsreichtum, die Kreativität und Frechheit einiger Verlage scheint unerschöpflich zu sein, wenn es darum geht, die marktbeherrschende Stellung (und Monopole) der eigenen Journale für ihre Profitmaximierung auszunützen. Lippenbekenntnisse a la „Wir sind Teil der Forschungsgemeinde“ können diese Raffsucht immer weniger gut kaschieren – Bibliothekare und Forscher sind hoffentlich dabei aufzuwachen!

Bibliotheken bräuchten nun dringend eine Art Standardschreiben, das man den mit Phantasie-Preisen operierenden Tier-Verlagen zuschicken könnte, um seine Nicht-Akzeptanz und/oder Boykott (idealerweise gedeckt durch einen Beschluss des Fachbereichs) zum Ausdruck zu bringen. Hat von Ihnen vielleicht jemand schon mal sowas verfasst? Bitte um Nachricht!