Wieviel (In)-Transparenz ist notwendig? – Peer Review Revisited ä

Von Birgit Schmidt:
Ende Dezember 2006 hat das Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) sein erstes Working Paper veröffentlicht: „Wie
viel (In)-Transparenz ist notwendig? – Peer Review Revisited

Die Sammlung von Beiträgen geht auf einen Workshop zurück, der im Mai 2006 vom iFQ mit Referenten aus Deutschland, der Schweiz und Dänemark veranstaltet wurde (vgl. PM im IDW vom 20.12.2006 http://idw-online.de/pages/de/news190177).

Die Autoren widmen sich dem Thema der Qualitätssicherung in Begutachtungsprozessen. Hierzu stellen sie die Fragen: Schadet zu viel Transparenz dem Begutachtungsprozess? Welches Maß ist sinnvoll und verträglich?

Die Urteile fallen bezogen auf die Begutachtung von Forschungsanträgen, i.e. projektierte Forschung, und die Begutachtung von Forschungsergebnissen ganz unterschiedlich aus. Für letzteres scheint es mehr Spielraum für offene Begutachtungsverfahren zu geben (siehe den Beitrag von U. Pöschl). Bei beiden scheint es sinnvoll zu sein, im Verfahren fachliche Begutachtung und Entscheidung zu trennen. Zudem wirkt ein möglichst transparentes Verfahren sicherlich vertrauensbildend.

Friedhelm Neidhardt vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung rät davon ab, die Anonymität der Gutachter preiszugeben, um ein höheres Maß an Transparenz herzustellen, denn das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass Statusschwächere im Fach diskriminiert würden. Damit „würde die Neigung unterstützt, in der Begutachtung inhaltlich den ‚Mainstream’ zu bedienen und die riskantere Förderung des Kreativ-Ungewöhnlichen zu scheuen“.

Das dänische Forschungsförderungssystem setzt dagegen auf Transparenz: die Antragsteller wissen, wer ihren Antrag begutachtet – ergänzt durch die Möglichkeit auf Bewertungen der Peers zu reagieren. Die Vorteile und Nachteile dieser hohen Transparenz erläutert Jacob Kristoffer Hansen. So lehnen ca. 60 % der angefragten Gutachter diese Tätigkeit ab, was an der fehlenden Anonymität liegen mag. Stefan Koch berichtet über das von der DFG vor zwei Jahren reformierte Begutachtungssystem und seine Bewährung in der Praxis. Transparenz entstehe hier durch interne Öffentlichkeit mit dem neu eingeführten Gremientyp „Fachkollegium“. Es soll die Qualität und Fairness der Gutachten sowie die Eignung der Gutachter sicherstellen.

Martin Reinhart und Daniel Sirtes vom Programm für Wissenschaftsforschung der Universität Basel stellen die These auf, dass die Abschaffung von Intransparenzen die Entscheidungsfähigkeit reduziere. Am Beispiel des Schweizerischen Nationalfonds zeigen sie,
dass Transparenz kein primäres, normatives Ziel eines Entscheidungsverfahrens sein könne.

Zum Collaborative Peer Review Verfahren des Open Access-Journals „Athmospheric Chemistry and Physics“ (und seiner Schwesterjournale), das auf einen zweistufigen Publikationsprozess mit öffentlichem Peer Review und interaktiver Diskussion basiert, findet sich ein Beitrag von Ulrich Pöschl, einem der Herausgeber der Zeitschrift.