Zitrone des Monats geht an die American Association of Immunologists – eine Detektivstory

Zitrone

Manchmal ist Bibliothekarsein ja richtig spannend. Auf der detektivischen Suche nach den Ursachen für eine Rechnung fühlt man sich oft wie Sherlock Holmes. Nach einigen Recherchen began sich auch diesmal der Nebel über dem Invoice-Moor zu lüften: In der Ferne, hinter einem großen Teich, wird ein uraltes, verwunschenes Schloß sichtbar: Der Sitz der ehrenwerten American Association of Immunologists, Inc.. Die AAI hat für ihre Mitgliedern eine breite Palette von Vergünstigungen geschaffen, darunter u.a. reduced rates for hotel accommodations, car rentals, and airline fares. Aber ach – alles wird teurer, das Personal, das Benzin, das Kerosin, ganz zu schweigen von den vielen Preisen und Auszeichnungen, die man jedes Jahr verleihen muß. Als largest and most prestigious professional association of immunologists in the world darf man sich ja nicht lumpen lassen und muß aus dem Vollen schöpfen können. Aber jetzt wird das Geld knapp. Was soll man bloß tun? Irgendwie müssen die Einnahmen steigen, aber nur wie? – Man will ja schließlich keine Bank ausrauben!

Der Ärger ist vorprogrammiert: Erhöht man die membership fee, dann laufen einem die Immunologen weg. Erhöht man die manuscript submission fee, dann laufen einem die Autoren weg. Und am Preis der AAI-Postille Journal of Immunology kam man nicht weiter drehen: Die Abonnenten ächzen schon jetzt unter den ständigen Preiserhöhungen und drohen unverhohlen mit subito. Versonnen schweift der Blick des Kassenwarts aus den hohen, vergitterten Fenstern auf die düstere Abendstimmung am Rockville Pike. Und plötzlich macht es klick. ❗ Aber ja doch, heureka! Es ist doch so naheliegend: Die Bibliothekare! Die Bibliothekare sind an allem schuld! Sie bestellen einfach unsere Zeitschrift ab, sie fördern Open Access, sie lügen wie gedruckt – und das Wichtigste: Sie sind dumm und haben Geld!

Hä? Halt! Moment! Stopp, da stimmt doch was nicht: Bibliothekare lügen? Der Kassenwart der Anonymen Alkoholiker Immunologistans ist sich ganz sicher: Wenn es um die Festlegung der Preiskategorie geht, geben die aus Geldnot immer zu wenig FTEs an. Das rieche ich! Eins, zwei, drei haben wir das überprüft und denen eine gesalzene Nachforderung geschickt und dann heißt es wieder feiern auf der Jahrestagung! Gesagt – getan. Eine Praktikantin trägt in Excel die FTE-Angaben der Bibliotheken gegen die Nutzung und den IP-Range auf – und ein wahrer Sündenpfuhl tut sich auf! Die Rechnungen zu schreiben ist dann nur noch ein Klacks.

Genau so muß es gewesen sein oder doch zumindest ähnlich, denn zum Jahreswechsel 2004/2005 geht den Agenturen eine lange Liste mit Nachforderungen der AAI zu. Grund: Die Bibliotheken hätten ihren List Code falsch eingepflegt, was auch immer das ist (wohl die Kategorie im Tier-Modell). In der Folge erhalten die Bibliotheken im Januar 2005 eine Nachbelastung mit der unauffälligen Zusatzbemerkung Rate Adjustment. Nachbelastungen sind nichts Ungewöhnliches, man vertraut Verlag und Agentur und so werden diese ohne Aufhebens bezahlt – alle sind glücklich: Die Bibliothek, weil der Onlinezugang funktioniert, die Agentur, weil nichts abbestellt wurde, und die ehrenwerten AAI-Mitglieder, weil die sich jetzt endlich wieder sattessen können.

Wie wir drauf gekommen sind? Unsere Erneuerung für 2006 wurde von der AAI nicht akzeptiert! Die Nutzung wäre viel zu hoch für Kategorie B, das müßten deutlich mehr Nutzer sein – Kategorie D. Und außerdem hätten wir ja schließlich letztes Jahr bereits mit der Nachforderung die höhere Kategorie akzeptiert! 😯

Also Achtung bei Verträgen mit der AAI! Die AAI hat Röntgenaugen, mit denen sie in deine Brieftasche und die Universität hineinschielen kann. Frag‘ ich mich: Wozu überhaupt noch FTE-Zahlen angeben – die können die Verlager doch selbst viel genauer berechnen?! Ich kann mich nur des Verdachtes nicht erwehren, dass die am Ende immer die höchste Kategorie in Rechnung stellen werden… Leute, prüft eure Nachforderungen: Ab jetzt sind wir wohl gezwungen nachzuweisen, dass auch wirklich nur 500 Ärzte im Klinikum arbeiten und nicht 25.000! In der Juristik nennt man sowas wohl Beweisumkehr. :wall:

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